Turley – Die fiktive Tiefgarage und der Fluch der Baulasten (II)

Teil II: 2019 bis 2023

(Fortsetzung vom ersten Teil: 2012 bis 2021 )

Unter dem Turleyplatz hätte seit 2012 eine Tiefgarage entstehen sollen. Foto: Dieter Leder

Während die MWSP Mitte 2019 von allen Verträgen mit Bock zurücktritt und entsprechende Widersprüche in den Grundbüchern eintragen lässt, beginnt auf den Baufeldern IV und V auf Turley die Planungs- und Bautätigkeit im Auftrag der neuen Baufeld-Eigentümer, der Fortoon Development GmbH aus Hamburg (Fortoon).

Die erleben aber erstmal eine böse Überraschung: Tom Bock hatte beim Verkauf der Baufelder im Jahre 2018 verschwiegen, dass dort 141 Stellplatz-Baulasten von Projekten aus Baufeld III im Baulastverzeichnis einegtragen waren.

Neue Tiefgarage: Fortoon statt Bock

Nach langen Verhandlungen präsentiert die MWSP am 13. Oktober 2020 einen neuen Partner für den Bau der Tiefgarage auf dem Turleyplatz: Fortoon solle auch die Tiefgarage bauen, wie es hieß. Dass ausgerechnet Fortoon bauen sollte, war kein Zufall, denn die wären mit ihren 141 Stellplatz-Baulasten größter Einzelinteressent und hätten damit großes Interesse an einem zügigen Bau der Tiefgarage. Fortoon hätte mit der neuen Tiefgarage die zugesicherten 141 Stellplätze in die neue Tiefgarage auslagern können und müsste sie nicht platz- und raumintensiv in ihren eigenen Projekten auf Baufeld V einplanen.

Die Situation zu den auf Turley eingetragenen Stellplatz-Baulasten ist derart kompliziert, dass bereits 2017 die Tom Bock Group einen eigenen Lageplan zu den Stellplatznachweisen erstellte. Foto: Privat

Die planerischen und vertraglichen Schritte sollten zeitnah nach der Ankündigung fixiert werden, die MWSP ging von einem Baubeginn zwischen Juli und Oktober 2021 aus. Damals schon hatte Fortoon sich mit allen Anliegern auf Turley in Verbindung gesetzt um herauszufinden, wie viele Stellplätze in der Tiefgarage denn nun tatsächlich benötigt würden. Da einmal 1.700 Menschen auf Turley wohnen und 650 neue Arbeitsplätze entstehen werden, sei es gemäß der MWSP “entsprechend wichtig, die Planungen für die Tiefgarage zu konkretisieren und die Umsetzung voranzutreiben.”

Bocks Baulasten verhindern zum zweiten Mal die Tiefgarage

Doch bei der Ankündigung und der Bedarfsermittlung blieb es – mit dem Bau der Fortoon-Tiefgarage wurde nie begonnen. Fortoon selber verweist auf weiterhin laufende Gespräche mit der MWSP. Die MWSP führt heute als Begründung für den bisher nicht erfolgten Baustart von Fortoon die schwierige „Situation auf dem Baustoffmarkt und die Baupreisentwicklung“ an.

Das klingt nach einer Ausrede, denn ob tatsächlich die Situation auf dem Baustoffmarkt ausschlaggebend war, ist fraglich. Die Baupreisentwicklung dürfte sich vielmehr auf Grund einer geänderten Nachfrage nach den Stellplätzen geändert haben: Fortoon braucht möglicherweise gar nicht mehr so viele Stellplätze in der geplanten Tiefgarage, wodurch sich die Baukosten pro Stellplatz deutlich verteuern würden. Es könnte dadurch zu einem Rückzug oder zumindest zu einem deutlich reduzierten Interesse von Fortoon am Bau einer Tiefgarage gekommen sein.

MWSP-Formfehler in alten Baulast-Erklärungen

Als die MWSP zwischen 2013 und 2018 als Noch-Eigentümer der betroffenen Grundstücke und als Verpflichteter die Baulast-Übernahmeerklärungen für die auf Baufeld III nachzuweisenden Stellplätze abgab, unterliefen ihr zahlreiche Fehler. So stimmen bei den Projekten Centre, Thompson sowie Laguardia- und Campus-Pavillon die Angaben der Flurstücknummern nicht: Die Baulasten sollten auf dem Baufeld V eingetragen werden, das wäre Flurstück 62622. Angegeben als belastetes Flurstück wurde aber fälschlicherweise 614/30, das ist der Turleyplatz.

Von Judt signierte Baulast-Übernahmeerklärung für das Projekt Centre mit (gelb markierter) irrtümlicher Flurstücksbezeichnung: Das Baufeld V trägt die Flurstücksnummer 62622 und nicht wie in der Erklärung angegeben die Flurstücksnummer 614/30 – das wäre der Turleyplatz. Foto: Privat

Von diesem Formfehler auf Baufeld V sind insgesamt 39 gesicherte Stellplätze betroffen, die Erklärungen wären auf Grund dem Formfehler damit eigentlich nichtig.

Baugenehmigung ohne Stellplatznachweis

Des weiteren gibt es in einigen Baulast-Erklärungen Unstimmigkeiten über die tatsächliche Anzahl der Stellplätze: So ist gemäß Text der Erklärung eine andere Anzahl an Stellplätzen gesichert als im bildlichen Teil. Da der textliche Inhalt den verbindlichen darstellt, ergibt sich in einem Fall eine leichte Erhöhung um zwei Stellplatz-Baulasten auf Baufeld V, insgesamt aber brauchen elf Stellplätze nicht mehr nachgewiesen werden.

Das Gebäude Prince Altbau, für das 2014 eine Baugenehmigung erteilt wurde, ohne dass Stellplätze machgewiesen wurden. Foto: Dieter Leder

Eine weitere Reduzierung um neun Stellplätze ergibt sich beim Altbau des Bauprojektes Prince: Diese Stellplätze sind im Lageplan zu den Stellplatznachweisen zwar eingezeichnet, allerdings fehlt hierzu die Erklärung komplett. Das heißt, das Projekt erhielt 2014 vom Bauamt eine Baugenehmigung und später eine Baufreigabe, ohne dass damals die erforderlichen Stellplätze nachgewiesen worden waren.

Erloschene Bauanträge wirken sich auf Baulasten aus

Auch bei einer neuerlichen rechtlichen Überprüfung der allgemeinen Gültigkeit der alten Stellplatz-Baulasten ergeben sich Probleme. Betroffen sind sämtliche Bock-Bauprojekte, die seinerzeit zwar genehmigt waren, die aber erst gar nicht begonnen oder nicht mehr abgeschlossen wurden. Möglicherweise könnten die Baulasten dieser Projekte mittlerweile verfallen sein.

Schuld daran sind die Baugenehmigungen, die seinerzeit für Bocks Projektgesellschaften erteilt wurden. Deren Geltungsdauer regelt die Landesbauordnung und für Turley ergibt sich daraus ein einheitliches Bild: Demnach sind alle Baugenehmigungen für nicht begonnene oder nicht abgeschlossene Projekte mittlerweile erloschen, wie das Baurechtsamt auf Anfrage bestätigt.

Im April 2016 hängen im Aushangkasten der ehemaligen Außenstelle der University of Maryland an der Kapelle auf Turley zwei sogenannte rote Punkte: Es sind Baufreigaben basierend auf erteilten Baugenehmigungen. Foto: Manuel Schülke

Die Stellplatz-Baulasten wiederum sind an den jeweiligen Bauantrag und an das darin beschriebene Bauvorhaben gekoppelt. Wenn die hierfür erteilte Baugenehmigung aber mittlerweile erloschen ist und das Bauvorhaben damit nicht mehr realisiert wird, dann sollte auch die daran gekoppelte Baulast erloschen sein, wie die Verpflichteten argumentieren. Denn es würde keinen Sinn machen, Stellplätze für ein nicht mehr zu realisierendes Bauprojekt und für einen nicht mehr existierenden Begünstigten bereithalten zu müssen.

Den Baulasten fehlen die Grunddienstbarkeiten

Die Baulast regelt zudem nur die öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Baurechtsbehörde. Sie stellt nur einen Nachweis für die Behörde beim Antrag einer Baugenehmigung dar, wonach die hierfür geforderten Stellplätze vorhanden sind. Privatrechtliche Verpflichtungen werden in der Baulast nicht berührt.

So absurd es klingt: Mit der Eintragung einer Stellplatz-Baulast kann der Begünstigte nur davon ausgehen, dass er eine Baugenehmigung erhält – aber nicht, dass er den Stellplatz später auch nutzen kann. Die privatrechtlichen Aspekte, also die Details der Nutzung zwischen Begünstigten und dem Verpflichteten wie etwa Erstellungskosten, Unterhalt und finanzieller Gegenleistung, wird mit einer zweiten Vereinbarung geregelt, im Normalfall mit einer gleichlautenden Grunddienstbarkeit.

Die allerdings fehlt in den von der Tom Bock Group auf Turley eingerichteten Stellplatz-Baulasten: Privatrechtliche Vereinbarungen zur eigentlichen Nutzung wurden demnach nicht getroffen.

Löschungen von Stellplatz-Baulasten beantragt

Nach Ansicht der Verpflichteten der Baulast-Stellplätze werden allerdings beide Vereinbarungen benötigt, also sowohl die Baulast als auch die Grunddienstbarkeit. Beide müssen zudem schon bei Beantragung der Baulast getroffen sein, so das allgemeine juristische Verständnis: Im Nachhinein lässt sich rechtlich aus einer alleine bestehenden Baulast keine Verpflichtung mehr zur privatrechtlichen Nutzung und Eintragung einer Dienstbarkeit herleiten. Der Stellplatz ist damit dauerhaft nicht nutzbar.

Auf Grund der fehlenden Grunddienstbarkeit und der erloschenen Bauanträge sind nach Ansicht der Verpflichteten diese Stellplatz-Baulasten somit verfallen und können umgehend gelöscht werden; die geforderten Stellplätze bräuchten somit auch nicht mehr eingeplant oder bereitgestellt werden. Das Baurechtsamt bestätigt auf Anfrage, dass neue Eigentümer von Turley-Flurstücken die Löschung zahlreicher aus ihrer Sicht verfallener Stellplatz-Baulasten bereits beantragt haben.

Löschung von Baulasten angelaufen

Das Bauamt folgt ab Ende 2020 zunächst dieser Argumentation und unterscheidet bei der neuerlichen Bearbeitung von alten Baulasten, ob die noch Bestand haben oder auf Grund einer erloschenen Baugenehmigung nicht mehr benötigt werden würden: Damals wurden nur noch aktive Baulasten von beendeten Projekten (weiter-) verschoben oder bearbeitet. Inaktive Baulasten von Projekten mit damals bereits erloschener Baugenehmigung wurden ignoriert und sind heute nicht mehr im Baulastverzeichnis aufgeführt. Das heißt aber juristisch nicht, dass sie deswegen damals gelöscht wurden.

Tatsächlich, und auch das wird von der Behörde auf Anfrage bestätigt, wurden bisher noch keine Baulasten gelöscht. Denn das Bauamt kommt bei der Bewertung der Baulasten neuerdings zu einem anderen Ergebnis: „In der Gesamtheit vertritt die Baurechtsbehörde die Auffassung, dass die Baulasten (Anm: der nicht begonnen oder fertiggestellten Turley-Projekte) Bestand haben.“ Das Bauamt argumentiert: Erst wenn kein öffentliches oder privates Interesse mehr besteht, kann eine Löschung erfolgen.

Die Baurechtsbehörde lehnt Anträge auf Löschung der Baulasten aktuell mit dieser Begründung ab. Dagegen werden die Antragsteller höchstwahrscheinlich Einspruch einlegen, um über den Rechtsweg die Löschung zu erreichen. Die Entscheidung aber dürfte sich sehr lange hinauszögern und noch viele Juristen beschäftigen. Die sprechen jetzt schon von einem Präzedenzfall, den es in dieser Form noch nie gegeben hat. Und von langwierigen Verhandlungen.

Neue Baugenehmigungen für Turley notwendig

Dass die Baubehörde neuerdings an den alten Baulasten der erloschenen Baugenehmigungen festhält, hat mit den neuen und zukünftigen Bauanträgen und Baugenehmigungen zu tun. Da alle für Bock ausgestellten Baugenehmigungen mittlerweile verfallen sind, muss für jede heutige Bautätigkeit auf Turley vom neuen Eigentümer oder Entwickler erst einmal ein neuer Bauantrag gestellt werden.

Wenn nun erst einmal ein neues Baugenehmigungsverfahren zu durchlaufen ist, heißt das aber, dass der Antragsteller auch einen neuen Nachweis über die je nach geplanter zukünftiger Nutzung geforderten Stellplätze zu erbringen hat. Und an diesem Punkt beginnt ein neues Problem: Es gibt derzeit keine Stellplätze auf Turley, die als Nachweis für einen neuen Bauantrag zu verwenden sind.

Fiktive Tiefgarage stellt kein Stellplatz-Nachweis dar

Was nach ganz neuen Problemen aussieht, ist letztlich aber kein neues Problem: Es ist vielmehr nur die Fortsetzung derselben Thematik der für Baugenehmigungen nicht nachweisbaren Stellplätze, mit der die MWSP und das Bauamt schon Bock ab 2018 blockierten und die auch 2023 noch immer jeden Fortschritt auf Turley blockieren.

An dieser Stelle im Bild-Vordergrund war seit 2013 die Einfahrt in die Tiefgarage unter dem Turleyplatz geplant. Das Foto entstand 2015. Bis heute gibt es keine Tiefgarage unter dem Turleyplatz. Foto: Manuel Schülke

Insbesondere wegen der Veränderungssperre konnte Bock keine Stellplätze nachweisen und somit keinen genehmigungsfähigen Bauantrag einreichen. Die Stellplätze hätten damals in der Tiefgarage nachgewiesen werden müssen, wie es aus dem Bauamt heißt. Eine „fiktive, nicht vorhandene Tiefgarage könne nicht als Nachweis von Stellplätzen dienen“, so eine Mitarbeiterin der Behörde. Die hätten damals die Baugenehmigungen sogar erteilt, wenn zumindest eine Baugenehmigung für die Tiefgarage vorgelegen hätte und davon auszugehen wäre, dass die Tiefgarage zeitnah gebaut würde.

Aktuell keine neuen Baugenehmigungen auf Turley

Ohne Tiefgarage und ohne Stellplätze bedeutet das aber, dass die neuen und auch zukünftigen Eigentümer, wie zuvor Bock in den Jahren 2018 und 2019, aktuell auf Turley keine genehmigungsfähigen Bauanträge einreichen können (es sei denn, sie haben eine Tiefgarage). Um Turley nicht zu blockieren und um das Problem zeitnah zu lösen, versucht das Bauamt aktuell, die alten noch als Baulast gesicherten Stellplätze zu erhalten und ihre Löschung zu verhindern.

Es könne nicht im öffentlichen Interesse sein, wie das Bauamt argumentiert, einen Eigentümer derart einzuschränken, „dass dieser vom guten Willen anderer Eigentümer vollumfänglich abhängig gemacht wird.“ Denn ein Wegfall der alten Baulasten würde zu einer rechtlichen Unmöglichkeit jeder zukünftigen Nutzung führen, das erkennt auch das Amt so an.

Alte Baulasten für neue Bauanträge

Das Amt würde die alten Baulasten für die neuen Bauanträge quasi wieder- und weiterverwenden. In deren Sinne sind Baulasten so zu verstehen, dass sie zwar „aus Anlass des im Rubrum aufgeführten Bauvorhabens abgegeben wurden, nicht jedoch, dass sie ausschließlich für diese Vorhaben gelten sollten.“ Ein ausdrücklicher Ausschluss der Fortgeltung der Baulasten für andere Vorhaben ist aus Sicht des Amtes dem Wortlaut der Baulasten nicht zu entnehmen.

Eine derzeitige sinnvolle Nutzung der Grundstücke sei nur mit entsprechenden Stellplätzen und folglich somit aktuell auch nur mit den alten Baulasten möglich. Demnach besteht an der Beibehaltung der alten Baulasten ein öffentliches Interesse und diese können nicht gelöscht werden.

Auch wie die neue Vorgehensweise in der Praxis angewendet werden soll, beschreibt das Bauamt: „Erst im Zuge eines neuen Bauantrags wird konkret geprüft und abschließend bewertet, ob die alte Baulast zu löschen ist.“

Unbekannter zukünftiger Bedarf an Stellplätzen

Das führt zunächst zu einer grotesken Situation, denn es ist nicht einmal ersichtlich, wann, wie und ob die alten Stellplätze später noch benötigt werden: Gegen mehrere 2022 durchgeführte Zwangsversteigerungen wurde Einspruch eingelegt, ebenso sind wegen Verfahrensfehler geplante Versteigerungen abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben worden, andere sind noch nicht einmal angesetzt. Es könnte also noch dauern, bis überhaupt neue Bauanträge eingereicht werden können.

Die sanierungsbedürftige und nicht fertiggestellte Reithalle, in der Bock ein Verantsltungszentrum geplant hatte. Hierfür hatte Bock 48 Stellplätze nachweisen müssen und diese als Baulasten auf Baufeld V eingetragen. Der aus der Zwangsversteigerung hervorgegeangene neue Eigentümer plant aber nicht mehr mit einer Nutzung als Veranstaltungszentrum und bräuchte nur ein Bruchteil der alten Stellplätze. Dennoch muss Fortoon aus Sicht des Bauamtes weiterhin die 48 Stellplätze nachweisen. Foto: Dieter Leder

Ferner ist auch nicht klar, welche neuen Nutzungen die neue Eigentümer planen und wie viele der alten Stellplätze in Zukunft überhaupt noch benötigt werden: Bei einer anderen Nutzung als der von Bock geplanten können in Zukunft durchaus weniger Stellplätze benötigt werden als per Baulast heute noch gesichert sind.

Bauamt: Argumentation widersprüchlich

Genau das Szenario bestätigt die Baubehörde: „Sollten für ein neues Vorhaben weniger Stellplätze erforderlich sein, ist nach Anhörung des Verpflichteten und des Begünstigten zu prüfen, ob die Anzahl der gesicherten Stellplätze reduziert werden kann. Dies ist nicht ausgeschlossen.“

Das heißt im Klartext, dass bis dahin alle durch alte Baulasten gesicherten Stellplätze auf den Grundstücken der Verpflichteten weiterhin nachgewiesen oder zumindest mit eingeplant werden müssen. Ob die später überhaupt benötigt werden, ist nicht einmal sicher.

Damit widerspricht sich das Bauamt allerdings selber: Denn wenn das Amt argumentiert, dass eine Baulast-Löschung angeblich den neuen Eigentümer und Begünstigten einschränken würde und zur rechtlichen Unmöglichkeit jeder zukünftigen Nutzung seines Flurstückes führen würde, dann darf es im Umkehrschluss nicht zulassen, dass eine Nicht-Löschung der Baulasten letztlich den Verpflichteten einschränken und zur rechtlichen Unmöglichkeit jeder zukünftigen Nutzung seines Flurstückes führen würde.

Alte Stellplatz-Baulasten blockieren neuen Wohnungsbau

Genau aber das passiert derzeit: Die alten Stellplatz-Baulasten blockieren derzeit nicht nur zukünftige, sondern auch laufende Bauprojekte auf Turley. Auf dem Mercer-Grundstück kann wegen der 67 durch alte Baulasten gesicherten und tatsächlich auch benötigten Stellplätze überhaupt nicht gebaut werden. Und auf Baufeld V kann auf Grund der durch 141 alte Baulasten nachzuweisenden aber aktuell größtenteils nicht benötigten Stellplätze derzeit nicht weitergebaut werden.

Oben im Bild ist die geplante Anordnung der Gebäude auf Baufeld V dargestellt, im unteren Foto ist der Baufortschritt Anfang 2023 dargestellt: Wegen bestehender Stellplatz-Baulasten konnte bisher nur Gebäude 5.1 und 5.2 fertiggestellt werden. Die restliche Fläche auf Baufeld V muss derzeit noch für Stellplatzbaulasten freigehalten werden. Foto: Privat/Google Maps

Eigentlich hätten die Bautätigkeiten dort Anfang 2023 abgeschlossen sein sollen, aber Fortoon konnte bisher nur die Gebäude 5.1 und 5.2 errichten. Den Platz auf Baufeld V, auf dem die Gebäude 5.3 bis 5.6 hätten gebaut werden sollen, muss Fortoon aktuell für die alten Baulasten einplanen und freihalten, wie Fortoon bestätigt. Das kostet für alle nicht nur viel Geld, die alten Stellplatz-Baulasten blockieren letztlich den Wohnungsbau und Fortschritt auf Turley.

Zweite Tefgarage macht keinen Sinn

Dabei sind die alten Stellplatz-Baulasten auf Turley ohnehin nur eine temporäre Angelegenheit. Wenn die Tiefgarage unter dem Turleyplatz einmal fertiggestellt sein wird, werden (fast) alle alten Stellplatz-Baulasten in die Tiefgarage verlagert und können dann auf den einzelnen Grundstücken gelöscht werden, was die MWSP aktuell auch als ihr Ziel bestätigt.

Der Bau und die Inbetriebnahme der Tiefgarage unter dem Turleyplatz wäre daher ein wichtiger Fortschritt, insbesondere für Baufeld III. Wie Fortoon aber bis dahin mit den 141 Stellplatz-Baulasten auf ihrem Baufeld V verfährt, ist und bleibt eine interessante Frage: Wenn die Baulasten weiterhin oberirdisch bereitgehalten werden, kann Fortoon nicht weiterbauen.

Die Tiefgarageneinfahrt auf Baufeld V: Die Fläche rechts und dahinter muss für alte Stellplatz-Baulasten freigehalten werden. Foto: Dieter Leder

Wenn Fortoon aber ihre eigene auf Baufeld V geplante Tiefgarage erweitert oder gar eine neue baut, um dort neben den selber benötigten Stellplätzen zusätzlich noch die alten Stellplatz-Baulasten nachzuweisen, könnte Fortoon auf Baufeld V weiterbauen, hätte aber spätestens mit der Fertigstellung der Tiefgarage unter dem Turleyplatz ein neues Problem: Dann würde Fortoon auf einen Schlag 141 Stellplatz-Mieter verlieren. Und ob es danach noch Interesse oder einen Bedarf an 141 zusätzlichen Stellplätzen auf Turley gibt, darf zu Recht bezweifelt werden: Die Stellplätze werden danach leer bleiben.

MWSP: Aus alten Fehlern nichts gelernt

Schon Bock hatte alle Stellplätze und Baulasten so lange vor sich hergeschoben, bis er sie nicht mehr weiter verschieben konnte, bis die Baulasten für ihn zum finalen Problem wurden und er quasi an ihnen erstickte: Mercer konnte er nicht mehr bauen, weil er zu viele Baulasten und Fahrzeuge auf dem Grundstück parkte.

Nach dem Ende von Bock auf Turley verfolgt die MWSP nun aber genau dieselbe Strategie: Die MWSP und ihre willigen Helfer im Bauamt bauen wie zuvor Bock auf die Lösung der Stellplatz-Problematik auf Baulasten. Dabei sind die heute genau so Schach-Matt wie Bock damals: Egal wie sie mit den Stellplatz-Baulasten verfahren, sie blockieren entweder den Begünstigten oder den Verpflichteten, sie blockieren letztlich Turley. Es geht ohne Tiefgarage nicht mehr weiter.

Wird die MWSP die Tiefgarage bauen müssen?

Am Ende könnte die MWSP vielleicht diejenige sein, die die Tiefgarage bauen muss. Nicht nur, um Turley nicht weiter mit der Diskussion um Stellplatz-Baulasten zu blockieren. Es könnte auch sein, dass die MWSP irgendwann mehr Stellplätze benötigen wird als jeder andere Interessent und Beteiligter auf Turley, vielleicht sogar mehr als aktuell noch Fortoon.

Bock ließ damals 141 Stellplatz-Baulasten auf Baufeld V eintragen. Nach Korrektur der textlichen und bildlichen Unterschiede in den Baulast-Erklärungen sowie nach Abzug der inaktiven Baulast reduziert sich die Zahl der aktuell tatsächlich eingetragenen alten Stellplätze auf Baufeld V auf nur noch 114. Wenn die mit Formfehlern behafteten Erklärungen nichtig sein sollten und auch die auf erloschenen Baugenehmigungen basierenden Erklärungen ebenfalls gelöscht werden sollten, dann müsste Fortoon nur noch zehn Stellplätze auf Grund von alten Baulasten von Baufeld III herstellen.

Die MWSP wird dagegen weit über 100 Stellplätze benötigen: Für ihr Casino-Bauprojekt und insbesondere für Broome, um dort überhaupt bauen zu können. Und für Mercer benötigt die MWSP bereits 67 Stellplätze – nur um überhaupt erst einmal das Grundstück frei zu bekommen. Dazu kommen noch mindestens 30 weitere für das eigentliche Bauvorhaben.

Tiefgaragenplätze ohne Nutzer

Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil davon am Ende nur toter Parkraum sein wird: Nicht jeder Eigentümer von Teileigentum in den Objekten Greene und Spring ist per Kaufvertrag auch verpflichtet, einen Stellplatz in der zu bauenden Tiefgarage zu übernehmen und zu benutzen.

Die Tom Bock Group hat nicht in allen Kaufverträgen die verpflichtende Klausel eingetragen, dass die neuen Eigentümer Tiefgaragen-Stellplätze erwerben müssen. Es existieren Kaufverträge, in denen das nur als Option eingetragen ist. In anderen Kaufverträgen gibt es keine Angaben zu Stellplätzen.

Da sich im Nachhinein aus einer bestehenden Baulast keine Verpflichtung zur privatrechtlichen Nutzung und Eintragung einer Dienstbarkeit herleiten lässt, wären einige Eigentümer in den Greene- und Spring-Objekten im Nachhinein auch nicht verpflichtet, einen Stellplatz in der Tiefgarage zu erwerben und zu nutzen. Gleichzeitig aber muss dieser nicht benötigte Stellplatz auf Grund der alten Baulast vom Mercer-Grundstückseigentümer sowie etwaigen Rechtsnachfolgern dauerhaft nachgewiesen werden: Der Stellplatz muss daher in jedem Fall gebaut werden, auch wenn er letztlich nicht genutzt wird.

Millionenbeträge werden fällig – zu Lasten der MWSP

Die MWSP könnte dann der große Verlierer sein. Seit mehr als zehn Jahren nach den ersten Planungen ist die Tiefgarage weiterhin nur ein fiktiver Spielball für die Interessen der Beteiligten – gebaut und nutzbar ist sie nicht. Zehn Jahre, in denen wertvolle Zeit verstrichen ist und viel Geld verbrannt wurde.

Sollte die Tiefgarage doch gebaut werden (müssen), dürften sowohl die explodierenden Baupreise von aktuell jährlich 20%, die mittlerweile deutlich gestiegenen Zinsen als auch die alten Baulasten die Kosten für den Bau und damit für die Nutzer am Ende um ein Vielfaches verteuern. Für die ursprünglich geplante und in einigen Verträgen fixierte Summe von 25.000 Euro jedenfalls dürfte heute kein Stellplatz mehr zu erstellen und auch zu bekommen sein.

Wer dann noch mit einer stellplatzintensiven Nutzung auf Turley plant, für den könnten am Ende Mehrkosten in Höhe von mehreren hunderttausend Euro oder gar ein zusätzlicher Millionenbetrag fällig werden. Den wird mit ziemlicher Sicherheit die MWSP bezahlen müssen, entweder als Auftraggeber der Tiefgarage oder spätestens als größter Abnehmer von zu nutzenden Stellplätzen und lediglich nachzuweisenden Baulasten.

Tiefgarage wird vorerst nicht gebaut – MWSP hat kein Interesse mehr

Daher verwundert es nicht, dass die MWSP bereits 2021 verkündete, dass sie kein Interesse mehr am Bau der Tiefgarage habe: „Eine Tiefgarage, deren Stellplätze sich niemand mehr leisten kann, ist in niemandes Interesse.“ Weiter hieß es damals: „Unter den aktuellen Voraussetzungen ist es nicht möglich, Stellplätze zu vernünftigen Preisen herzustellen.“

Genau dieselbe Aussage macht die MWSP heute noch immer und gibt damit keine günstige Prognose ab. Wenn die Voraussetzungen zum Bau der Tiefgarage bis jetzt nicht gegeben waren, dann ist davon auszugehen, dass auf Grund der mittlerweile noch viel größeren Schwierigkeiten auf Turley und insbesondere am Bau- und Baustoffmarkt wohl auch in naher Zukunft nicht mit dem Bau einer Tiefgarage zu rechnen ist.

MWSP fehlt Verfügungsgewalt, Bock blockiert weiter

Dabei könnte die Teuerung sich möglicherweise als positiver Effekt nutzen lassen: Bock hat der MWSP nicht nur den Fluch der Stellplatz-Baulasten und eine fiktive Tiefgarage vererbt, Bock hinterließ der MWSP auch noch die seit mehr als zehn Jahren unberührten Mercer- und Broome-Projekte auf Turley.

Möglicherweise haben die eine ähnliche Wertsteigerung erfahren, wie seinerzeit die Baufelder IV und V, die Bock im Jahre 2018 bereits für den sechsfachen Preis weiterveräußern konnte. Dann wäre Broome heute keine 570.000 Euro mehr wert, sondern hätte im Jahre 2018 schon einen entsprechenden Wert von 3,4 Millionen Euro dargestellt. Und auch das Mercer-Grundstück hätte seinen Wert seit dem Erwerb von Bock im Jahre 2012 von 1,6 Millionen Euro auf einen rechnerischen Wert auf 10 Millionen Euro vervielfacht.

Das Mercer-Grundstück in der Mitte, links davon das Greene-Gebüde und rechts das Spring-Gebäude. 2012 wurde Mercer für 1,6 Millionenen Euro an Bock verkauft, doch Bock baute nicht. Das Grundstück hat heute möglicherweise einen Wert von mehr als 10 Millionen Euro. Foto: Dieter Leder

Welchen Zuwachs die beiden Objekte zwischen 2018 und heute weiterhin noch erfahren haben, oder welchen Wert sie insgesamt heute haben, können am besten Gutachter bestimmen. Jedenfalls stellen die beiden Objekte eine interessante Verhandlungsbasis dar: Wer die beiden letzten Filetstücke auf Turley bekommt, der muss auch die Tiefgarage bauen.

Auf den ersten Blick sieht das nach einer Win/Win-Situation aus, aus der die MWSP vielleicht das Kapitel Turley mit einigermaßen erhobenen Hauptes hätte abschließen können und auf Turley endlich die Tiefgarage unter dem Turleyplatz hätte entstehen können. Doch einmal mehr behindern Bock und die MWSP den Fortschritt auf Turley. Auf Grund eines noch laufenden Revisionsverfahrens zwischen Bock und der MWSP hat die MWSP derzeit keine Verfügungsgewalt über Broome und Mercer und kann nur über die Tiefgarage verhandeln.

Vielleicht geschieht ein Wunder…..

Bevor auf Alt-Turley wieder Handwerker und Bauarbeiter tätig werden, werden zumindest erst einmal Juristen das Wort haben – Turley geht vorerst im Gerichtssaal weiter. Bisher liegen der Baurechtsbehörde der Stadt Mannheim daher auch noch keine neuen Bauanträge für Turley vor, weder für eine Tiefgarage noch für eine sonstige Bautätigkeit, wie es aktuell aus dem Rathaus heißt. Es wird also weiterhin ruhig bleiben und vielleicht ist Schnee im nächsten Winter wieder die einzige nennenswerte Veränderung auf Turley.

Schnee liegt im Dezember 2022 auf dem Turley-Platz. Ganz links befindet sich das Broome-Gebäude, rechts das Sullivan-Gebäude. In der Verlängerung des Pfades befindet sich das Casino. Foto: Dieter Leder

Es sei denn, morgen geschieht ein Wunder und die Tiefgarage wird doch gebaut, damit es auf Turley endlich weitergehen kann….

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