Wenn Corona-Beschränkungen für Christen gelockert und für Muslime verschärft werden [mit Kommentar]

Muslime beim Corona-gerechten Gebet in der Mannheimer Yavuz-Sultan-Selim-Moschee. Foto: Dieter Leder

„Dadurch wollen wir sicherstellen, dass Weihnachten im engsten Kreis gemeinsam gefeiert werden kann – und niemand an Weihnachten alleine sein muss.“ So begründete Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Mitte Dezember die Ankündigung der teilweisen Lockerung der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen über die Weihnachtsfeiertage: Die nächtliche Ausgangsbeschränkung wurde vom 24. bis 26. Dezember ausgesetzt und die Beschränkung der Treffen von maximal zwei beliebigen Haushalten auf fünf Haushalte allerdings des engsten Familienkreisen erweitert.

Parallel dazu lief die Aktion „Stille Nacht, einsame Nacht? Muss nicht sein!“, bei der Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) 80.000 kostenlose Antigen-Schnelltests zum Nachweis des Coronavirus aus der Notreserve des Landes zur Verfügung stellte. Damit sollte ein sicheres Weihnachtsfest für besonders gefährdete Personengruppen ermöglicht werden. Das Weihnachtsfest war mit diesen beiden Ankündigungen gerettet, die Familien konnten frühzeitig planen und sich zu dem wichtigsten christlichen Fest treffen und gemeinsam feiern.

Steigende Zahlen trotz guter Werte

Vier Monate später stehen Mannheim und Baden-Württemberg gemäß den Vergleichswerten eigentlich viel besser da als noch am 12. Dezember, als die Landeregierung ihre Pläne für Weihnachten veröffentlichte: 777 neue Corona-Fälle wurden damals in Mannheim in einer Woche gemeldet, diese Woche im April wurden gemäß Landesgesundheitsamt nur 408 neue Fälle bekannt. Die Sieben-Tage-Inzidenz der Stadt lag damals bei 250, aktuell liegt sie bei 150, die Inzidenz des Landes ging von 190 auf 134 zurück. Der R-Wert lag im Landesdurchschnitt noch im Dezember bei 1,20, aktuell liegt er bei 1,07. An jenem Dezembertag starben 47 Menschen in Baden-Württemberg an Corona, vier Monate später waren es nur noch zwölf. Und gemäß Robert-Koch-Institut gehen bundesweit 88% der Neuinfektionen auf die neue britische Virusvariante B.1.1.7 zurück, in Mannheim liegt die Quote in den letzten sieben Tagen bei 48%.

Diese Vergleiche bieten aber noch lang kein Grund zur Entwarnung, denn damals wie heute sind die Zahlen am steigen. Dazu kommt dass die neue britische Virusvariante ansteckender und im Krankheitsverlauf gefährlicher ist als die für die im Dezember für die Infektionen verantwortliche Variante. Damals wie heute gilt daher, das öffentliche Leben radikal herunterzufahren um die Zahl der Neuinfektionen ebenfalls radikal herunterzudrücken.

Ausgangssperre und Ramadan

Am heutigen Montag 12. April hätte die von 21 bis 5 Uhr in Mannheim geltende nächtliche Ausgangssperre eigentlich geendet, doch die Stadt hat sie im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Fallzahlen um weitere sieben Tage verlängert: Dann kommt wahrscheinlich eine neue identische Ausgangssperre, die dann aber auf den Vorgaben des Bundes basiert.

Am heutigen Montag 12. April ist auch Neumond, an dem der Ramadan beginnt: Ab Dienstag fasten die Muslime. Um 20.15 Uhr ist aktuell Sonnenuntergang, der sich täglich immer mehr in Richtung 21 Uhr verschiebt, dem Beginn der Ausgangssperre. Nach dem Fasten am Tage folgt für die Muslime nach Sonnenuntergang das Gebet. Und mit einem symbolischen Schluck Wasser und einer Dattel würde dann das Iftar beginnen, das Fastenbrechen, das große gemeinsame Abendessen im Kreis der Familie. Doch noch vor dem Essen werden sich die meisten schon wieder von der Familie verabschieden müssen, denn ab 21 Uhr gilt die verlängerte Ausgangssperre.

Ausnahmen für Muslime

Eine komplette oder zumindest eine auf einige Tage befristete Lockerung der Corona-Maßnahmen oder auch erweiterte Testmöglichkeiten ähnlich der Landesaktionen zu Weihnachten wird es zu Ramadan nicht geben. Vielmehr verschärft die Stadt mit der Verlängerung der Ausgangssperre nochmals die Maßnahmen. Statt wie den Christen zu ermöglichen, das Weihnachtsfest im Kreise der Familie zu feiern, räumen Stadt und Land den Muslimen keine Möglichkeit ein, den heiligen Fastenmonat und das abendliche Fastenbrechen im engsten Familienkreis würdevoll begehen zu können: Die müssen alleine zuhause essen und feiern. Damit entsteht eine bizarre Situation, denn zum Nachtgebet zwischen 22 und 23 Uhr dürfen die Muslime trotz Ausgangssperre theoretisch in die Moschee, sie dürfen aber wegen derselben Ausgangssperre nicht mit der Familie zusammen essen.

In einem Grußwort an die Muslime zum Ramadan appellierte Minister Lucha eindringlich, Kontakte auf das absolut notwendigste zu reduzieren und die Hygieneregeln weiter konsequent einzuhalten: „Es ist leider nach wie vor nicht die Zeit für größere Feiern und geselliges Beisammensein.“ Das klang an Weihnachten noch ganz anders.

Ein Kommentar:
Corona-Diskriminierung? – Warum Corona-Beschränkungen für Christen gelockert und für Muslime verschärft werden

Es ist schwer zu verstehen und auch zu vermitteln, warum in der Corona-Pandemie für die christliche Wertegemeinschaft andere Regeln gelten sollen als für die muslimische? Warum die Heilige Nacht der Christenheit offensichtlich bedeutungsvoller sein soll als eine muslimische Nacht im Ramadan, die mit der Kadr-Nacht in Erinnerung an die Herabsendung des Korans die segensreichste und bedeutendste Nacht im Islam darstellt? Warum dürfen Christen ihre wichtigen Feste trotz Corona ausnahmsweise im Familienkreis feiern, Muslime aber nicht? Oder warum glauben die Verantwortlichen bei dem jeweiligen Infektionsgeschehen, dass Christen offenbar resistenter sind als Muslime und sich nicht anstecken könnten? Warum werden Corona-Beschränkungen für Christen gelockert und für Muslime verschärft? Warum richtet das Land extra 150 Teststationen ein und führt 80.000 kostenlose Schnelltests für Christen durch, nicht aber für Muslime?

Die Bekämpfung der Pandemie muss absoluten Vorrang vor irgendwelcher religiöser Hochfeste haben, unabhängig davon, welche Glaubensgemeinschaft wie oder was feiert. Dennoch, dem einen etwas gestatten und dem anderen nicht, dem einen etwas geben und dem anderen nicht: Das hat schon immer zu Ärger und Verstimmung geführt. Wenn diese Ungleichbehandlung nicht einmal mit Zahlen zu belegen ist und zudem noch auf religiöser Zugehörigkeit basiert, dann hat es dafür gar ein eigenes Wort: Diskriminierung.

Auch wenn es durchaus danach aussieht, aber den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ist der Vorwurf der bewussten oder unbewussten Diskriminierung kaum nachzuweisen: Das Weihnachtsgeschenk der Grünen Landesregierung für ein unbeschwertes Weihnachtsfest könnte ebensogut auch nur ein Wahlgeschenk gewesen sein, mit er sich die Landesregierung vor der Landtagswahl die Gunst der Wähler gesichert hat.

Es wäre dennoch gut, wenn allen Gläubigen in der Pandemie dieselben Rechte und Pflichten eingeräumt würden. Und falls das nicht möglich sein sollte, dann täten die Verantwortlichen gut daran, dies auch entsprechend im Vorfeld schon zu kommunizieren um da bereits entsprechende Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Denn nichts ist schlimmer, als sich im Nachhinein für eine mögliche Diskriminierung, Ungleichbehandlung oder ungerechte Wahlgeschenke rechtfertigen zu müssen.

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