Ein Stinkefinger gegen Polizeigewalt

Die Polizeiwache in H4 wurde anlässlich der Demonstration am 5. November 2022 besonders geschützt, unter anderem mit Absperrgittern und der Reiterstaffel. Foto: Dieter Leder

„Mannheim wird brennen“, schrie eine sichtlich aufgebrachte Teilnehmerin bei der Abschlusskundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz mehrfach ins Mikrofon. Am Samstag (5. November 2022) demonstrierten etwa 150 Menschen gegen Polizeigewalt und erinnerten an einen tödlichen Vorfall, der sich vor fast genau einem halben Jahr in Mannheim ereignete: Am 2. Mai starb am Marktplatz bei einem Polizeieinsatz ein 47jähriger psychisch kranker Mann.

Initiative gegen Polizeigewalt

Aufgerufen zu der Protestveranstaltung hatte die Initiative 2. Mai, die sich als Reaktion auf diesen Fall von Polizeigewalt vor sechs Monaten gegründet hatte. Sie fordert ein sofortiges Ende der Polizeigewalt, eine öffentliche Anklage und lückenlose Aufklärung in diesem und vielen anderen Fällen, in denen Menschen durch Polizeigewalt ihr Leben verloren haben. Die Opfer seinen fast immer Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit Migrationshintergrund, wie es in Redebeiträgen am Samstag hieß.

Sechs Monate nach dem tödlichen Polizeieinsatz in Mannheim gedachten am 5. November 2022 etwa 150 Menschen dem Opfer und demonstrierten friedlich gegen Polizeigewalt. Foto: Dieter Leder

„Ich war ziemlich deeskalativ“, sagte die zuvor schon genannte Rednerin, die sich als Kollegin des Opfers zu erkennen gibt und über ihre persönlichen und traumatischen Auswirkungen des Vorfalls berichtet: Sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und habe die „grausamen Bilder“ von dem Vorfall noch immer vor Augen. Sie ist nicht alleine mit den Problemen, sie spricht auch für viele ihrer Kollegen, die aus Angst vor der Polizei aber erst gar nicht zur Demonstration mitgekommen seien.

Radikalisierung kommt nach Polizeigewalt

Doch von Angst ist bei ihr keine Spur, ganz im Gegenteil: „In Richtung der Polizei hat sich schwer was geändert in mir“, berichtet sie weiter und wird auch konkreter: „Ich merke, dass ich mich radikalisieren will, ich bin nicht die einzige und ich bin nicht alleine damit.“

Sie hat die Teilnehmer der Demonstration hinter sich, deren Applaus nach ihrer Radikalisierungsoffenbarung gibt ihr Mut. Das Solidarische der Demonstranten ist ihre Wut, die in der „kämpferischen Demonstration“ zum Ausdruck kommen soll, wie es in der Ankündigung wenige Tage vor dem November-Demonstration heißt.

Unmittelbar nach dem tödlichen Polizeieinsatz gingen im Mai 2022 etwa 750 Menschen auf die Straße und demonstriertenin Mannheim gegen Polizeigewalt. Dabei kam auch Pyrotechnik zum Einsatz. Foto: Dieter Leder

Nach den Ausschreitungen bei der Demonstration im Mai und den radikalen Ankündigungen war die Polizei am Samstag auf das Schlimmste vorbereitet. Ein Großaufgebot stand in den Seitenstraßen entlang der Demonstrationsroute einsatzbereit.

Friedliche Demonstration

Doch diesmal wird keine Pyrotechnik gezündet wie noch vor sechs Monaten, keine Scheiben gehen zu Bruch, auch keine Farbbeutel werden geworfen. Wozu auch: An der Mannheimer Polizeiwache in H4, von der der damalige tödliche Polizeieinsatz ausging, klebt noch immer die blutrote Farbe von der Mai-Demonstration. Die Farbflecken über der Eingangstüre sind längst zur dauerhaften Symbolik der blutrünstige Polizeigewalt geworden – eine Symbolik, mit der auch sechs Monate nach der Tat die Polizei offenbar keine Probleme hat.

Ein Stinkefinger gegen Polizeigewalt: Der blutrote Farbfleck über der Eingangstüre der Polzeiwache (rechts-oben im Bild) stammt och von der Demonstration im Mai. Foto: Dieter Leder

An jenem Samstag blieb es friedlich. Mannheim brannte (diesmal) nicht. Nur die Wut kochte. Und anstandshalber gab es einen Stinkefinger gegen die Polizeigewalt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.