Turley zerfällt in Einzelprojekte – Kuweiter kaufen Immobilien zurück

Die Kulturhalle in Käfertal kurz vor Beginn der Zwangsversteigerung. Foto: Dieter Leder

Am Donnerstagmorgen (13. Oktober 2022) begannen im Kulturhaus in Käfertal die ersten Turley-Zwangsversteigerungen. Noch bis Februar 2023 werden insgesamt neun Immobilien und Grundstücke mit einem Verkehrswert von mehr als 33 Millionen Euro ausgerufen, die vor fast genau zehn Jahren die Stadt Mannheim an den damals hochgelobten Ankerinvestor Thomas Egon Bock verkauft wurden. Auf der ehemalige Turley-Kaserne sollte ein neues Stadtquartier entwickelt werden.

Doch schon ab 2015 ruhen die Bauarbeiten auf Turley. Offenbar haben dubiose Finanztransaktionen im Zusammenhang mit dem weltweit größten Betrugsskandal mit dem malayischen Staatsfonds 1MDB 2015 zu finanziellen Problemen im Firmengeflecht bei Bock geführt. 2019 tritt die Stadt Mannheim von allen Verträgen mit Bock zurück. Es kommt zu Zwangsmaßnahmen, die 2022 ihren Abschluss in den angesetzten Zwangsversteigerungen finden.

Letzte Absprachen zwischen Pfandflaschen und Gitterboxen

Für 8.30 Uhr ist das erste Objekt angesetzt, ein Gewerbeobjekt auf Turley im Verkehrswert von 900.000 Euro. Während sich die Kulturhalle langsam mit Bietern und Interessenten füllt, finden hinter der Halle zwischen Stapeln von leeren Gitterboxen und Säcken von zerquetschten Pfandflaschen eines benachbarten Supermarktes die letzte Besprechungen statt.

Letzte geheime Besprechung zwischen Plastikmüll und Gitterboxen: Thomas Egon Bock (schwarz gekleidet) im Gespräch mit seinem Partner hinter der Kulturhalle. Foto: Dieter Leder

Einer der beiden Beteiligten ist Bock höchstpersönlich, der eingetragene Schuldner, der sich mit einem Bevollmächtigten abspricht und Akten einsieht. Er will offenbar nicht fotografiert werden, in der Öffentlichkeit ist er unter seiner schwarzen Wollmütze und einer schwarzen Maske kaum zu erkennen. Und auch als er dann kurz vor Versteigerungsbeginn im Sitzungssaal Platz nimmt und die Maske abnimmt, ist er nicht sofort zu erkennen: Er wirkt gealtert.

Bock bietet auf seine Schulden

Die Sparkasse Rhen-Neckar Nord versucht über die Zwangsvollstreckung an ihr im Oktober 2015 gewährtes Darlehen in Höhe von 970.000 Euro zuzüglich der Zinsen zu kommen. Darüber hinaus tritt auch die Stadt Mannheim als Gläubiger auf für die noch nicht erhaltene Grundsteuer.

Thomas Egon Bock in einer Pause der Zwangsversteigerung. Foto: Dieter Leder

Als um 8.49 Uhr die Bieterstunde eröffnet wird, kommt das erste Gebot ausgerechnet von Bock höchstpersönlich: Der bietet 50.000 Euro für die Immobilie und seine damit aufgehäuften Schulden. Es ist eher ein symbolisches Gebot als vielmehr ein ernstzunehmender Versuch, auf diesem Weg wieder auf Turley einzusteigen: Denn Gebote unter 50 Prozent des Verkehrswertes werden nicht zugeschlagen, das sind sämtliche Gebote unter 450.000 Euro.

Weitere Gebote aus Kuweit

Auch das zweite Gebot für das Objekt ist beachtenswert: Mit einem Gebot über 451.000 Euro versuchen die Vertreter der in Köln ansässigen Al-Radwan GmbH & Co. KG das Objekt zu ersteigern. Die Al-Radwan ist auf Turley keine Unbekannte: Seit Juni 2014 ist die Firma zur Hälfte an Bocks Firma Prince Wooster GmbH & Co KG beteiligt. Die Prince Wooster wiederum übernahm 2012 von der MWSP die Grundstücke und Gebäude auf der Turley-Straße 4, 6, 8 und 10.

Die Kölner Al-Radwan gehört zur kuweitischen Firma Ali Al-Radwan & Sons. Seit 1976 sind die weltweit in der Vermögensverwaltung, im Energie- und Kommunikationswesen sowie insbesondere auch im Immobiliensektor aktiv.

Im Portfolio der kuweitischen Al-Radwan & Sons befinden sich auch Objekte auf Turley in Mannheim (links unten). Foto: Screenshot Al-Radwan Webseite

So auch seit 2014 in Mannheim. Die kuweitische Ali Al-Radwan & Sons ist über die Kölner Al-Radwan GmbH & Co. KG zu 50 Prozent an Bocks Prince Wooster GmbH & Co. KG beteiligt und weist in ihrem Portfolio die Beteiligung an fünf Gebäuden auf Turley aus. Das sind die beiden Gebäude Turley-Straße 4 sowie die drei geplanten, im Bau befindlichen und bestehenden Gebäude in der Turley-Straße 6, 8 und 10.

Wegerecht könnte den Preis getrieben haben

Dass Al-Radwan nun aber plötzlich Interesse an dem Gewerbeobjekt Turley-Straße 24 und 26 zeigt, könnte an dem Zugang zu den Gebäuden Turley-Straße 6 und 8 liegen. Denn der führt über den Grund und Boden von Turley-Straße 24 und 26 und ist nicht als Baulast im Grundbuch eingetragen.

Vorne links das Grundstück Turley-Straße 10, dahinter der Altbau Turley-Straße 8 und im Hintergrund der Neubau Turley-Straße 6, alle aus der zweiten Versteigerung. Der eingeschossige Bau vorne rechts ist Turley-Straße 26 und wurde zuerst versteigert. Für die linken Gebäude gibt es kein Wegerecht über das Nachbargrundstück, die Grundstücksgrenze verläuft am linken Rand des eingeschossigen Gebäudes. Foto: Dieter Leder

So lange die Objekte und Grundstücke von einem Eigentümer als Gesamtheit überplant und überbaut werden, spielt das Wegerecht keine Rolle. Wenn nun aber ein neuer Eigentümer ganz andere Pläne mit der Turley-Straße 24 und 26 verfolgt, könnte das kritisch werden. Denn dann entscheidet der neue Besitzer, wer zukünftig über sein Grundstück gehen darf oder kann. Mit dem Erwerb des Objektes Turely-Straße 24 und 26 hätte sich Al-Radwan das Wegerecht und den weiterhin ungehinderten Zugang zu ihren Objekten sichern können.

Die Al-Radwan bietet im weiteren Verlauf der Versteigerung zunächst nur gegen den Hauptgläubiger, die Sparkasse. Bei 560.000 Euro steigt dann ein weiterer Bieter in die Auktion ein: Es ist eine vierköpfige Bietergemeinschaft aus Mannheim. Es kommt zu einem langatmigen Bieten zwischen der Al-Radwan und der Bietergemeinschaft, die letztlich bei 801.000 Euro den Zuschlag erhält.

Gesamtentwicklung auf Turley wird zukünftig von Einzelinteressen bestimmt

Das hält die Al-Radwan aber nicht davon ab, bei der zweiten Zwangsversteigerung für 4.060.000 Euro die drei (eigenen) Gebäude Turley-Straße 6 und 8 sowie das Grundstück Turley-Straße 10 zu erwerben. Waren die bisher über die Beteiligung bei der Prince Wooster GmbH & Co. KG nur fünfzig prozentige Besitzer, sind sie mit dem Zuschlag nunmehr hundertprozentige Eigentümer geworden.

Was den zukünftige Zugang zu ihren Gebäuden betrifft, hängt nunmehr von den Plänen und Interessen ihrer neuen Nachbarn ab. Das geschilderte Problem dürfte exemplarisch auch für die neu eingeleitete Gesamtentwicklung des Quartiers nach dem Abgang von Bock gelten. Zwar will die MWSP die neuen Eigentümer umgehend in Gespräche hierüber einbinden, wie sie unmittelbar nach den ersten Versteigerungen mitteilte. Ob die aber vorrangige Eigeninteressen hinter den Interessen an der Gesamtheit zurückstellen werden, wird sich zeigen.

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