Russisch orthodoxe Weihnachten am 6. Januar – und keine Jubiläumsfeier

Diakon Alexander Hahn (links) und Erzpriester Sergij Manoshkin mit der Festtagsikone der Kirche des Heiligen Alexander Newskij. Foto: Dieter Leder

„Heute ist Weihnachten“, sagt Diakon Alexander Hahn. Es ist der 6. Januar, Dreikönigstag steht auf dem Kalenderblatt und Weihnachten war eigentlich schon vor 14 Tagen. Doch die Gläubigen in der Kirche des Heiligen Alexander Newskij in der Gärtnerstraße in der Neckarstadt-West schmücken gerade den prächtigen und mit viel Lametta behangenen Weihnachtsbaum in der Kirche. In den schräg durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen verfängt sich der Weihrauch.

Es ist kurz nach Mittag an diesem 6. Januar, mehr als vier Stunden Messe sind gerade zu Ende gegangen. Diakon Hahn wünscht seinen Gemeindemitgliedern schöne Weihnachten und weiß, dass er sie in wenigen Stunden wieder sehen wird, wenn um 16 Uhr der Abendgottesdienst beginnt.

Weihnachten ist eine Frage des Kalenders

„Heute ist tatsächlich Weihnachten“, sagt er nochmals und ergänzt: „Nicht wir feiern später, sondern die anderen feiern früher.“ Hahn bezieht sich auf den von Julius Caesar 45 vor Christus eingeführten julianischen Kalender, der das Weihnachtsfest auf den 6. Januar legt. Erst im 16. Jahrhundert wurde der heute noch gültige gregorianische Kalender eingeführt und das Weihnachtsfest auf den 24. Dezember und der Dreikönigstag auf den 6. Januar gelegt.

Doch die russisch-orthodoxe Kirche orientiert sich weiterhin am julianischen Kalender und feiert am 6. Januar eines der wichtigsten Kirchenfeste. An diesem Tag endet die 40tägige Fastenzeit der Vorweihnachtszeit: „Wenn heute Abend der erste Stern am Himmel steht, ist die Fastenzeit offiziell beendet“, erklärt Hahn: „Es ist ein wegweisender Stern, der Dich begleitet.“ Und mit dem Ende der Fastenzeit beginnt die Weihnachtszeit: „Wir feiern eine Woche lang Weihnachten.“

Vom Alten zum Neuen Testament – Inklusive Stammbaum

Der Weihnachtstag ist in der orthodoxen Tradition von zentraler Bedeutung, schon in aller Frühe versammeln sich am 6. Januar die Gläubigen in der Kirche, um den Abendgottesdienst, die Frühvesper und die Liturgie zu feiern: „Das ist den Feiertagen geschuldet, dass das dieses Jahr hintereinander gefeiert wird.“

„Wir gedenken aller Schritte von Christi Geburt bis zur Kreuzigung, wir zeichnen den kompletten Lebensweg auf“, wie Diakon Hahn ausführt, „vom Alten Testament bis zum Neuen Testament.“ Dabei kommt dem Evangelium nach Matthäus eine besondere Bedeutung zu, insbesondere dem Stammbaum von Jesu Christi: „Das dauert bei uns alles ein bisschen länger“, entschuldigt er sich fast dafür.

Auf dem Pult liegt die Festtagsikone der Kirche des Heiligen Alexander Newskij. Foto: Dieter Leder

Zusammen mit Erzpriester Sergij Manoshkin und den vielen weiteren Mitgliedern der Gemeinde zelebrieren sie eine Messe im irdischen wie auch im abgetrennten himmlischen Bereich ihrer Kirche. Viele der jungen wie auch älteren Gemeindemitglieder sind zur Messe gekommen und beten gemeinsam, verehren die Festtagsikone und zünden Kerzen an – stets unter Beachtung der Corona-Regeln.

Jubiläumsfeier abgesagt

Corona wird auch das weitere Jahr bestimmen und hat schon jetzt einen Einfluss auf die Planung der russisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Alexander Newskij. Denn die Gemeinde hätte eigentlich gerne in diesem Jahr ihr 80jähriges Bestehen gefeiert.

1942 wurde die Gemeinde gegründet, Gründungsmitglieder waren in Mannheim Sandhofen im dortigen Lager lebenden politischen Flüchtlinge, die durch das kommunistische Regime der Sowjetunion verfolgt wurden sowie Zwangsarbeiter aus den okkupierten Gebieten. Viel ist aus den Anfängen nicht bekannt, denn nach den deutschen Lagern kamen für viele in der Heimat noch der Gulag.

Aus den schmerzlichen Anfängen ist 80 Jahre später eine stattliche Gemeinde mit knapp 600 Mitgliedern gewachsen: „Tendenz steigend“, wie Diakon Hahn erklärt: „Wie haben viele Junge Gemeindemitglieder.“

Doch die Feierlichkeiten zum 80ten Jubiläum sind wegen Corona abgesagt worden: „Die Stadt hat eine Feier zum 80ten Jubiläum abgelehnt“, so Hahn. Das trifft insbesondere die Kinder: „Gerade die Kinder hätten viel zu den Feierlichkeiten beitragen können, mit Konzerten und Aufführungen.“ Doch nun ist erst mal 6. Januar und damit Weihnachten: Traditionell gibt es viel Schokolade, nicht nur für die Kinder.

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