Phantomwohnungen und Geheimtüren: Oikos besichtigt erstmalig den Rohbau ihrer neuen Heimat

Architektin Karin Vogel (2. von links) und die zukünftigen Bewohner der Oikos Baugenossenschaft vor ihrem Rohbau. Foto: Dieter Leder

Es ist kalt und ungemütlich, der Himmel ist grau verhangen, leichter Nieselregen fällt aus den Wolken, die Füße sind kalt. „Es ist ein Traum“, sagt Valentina Ingmanns, „ich könnte eine Freudenträne verdrücken.“ So wie ihr geht es auch den anderen mehr als 30 Besuchern, die vergangenen Samstagmorgen auf das Konversionsgelände Spinelli in Käfertal zur Baustellenbesichtigung gekommen sind.

Auf Spinelli entsteht nicht nur die Bundesgartenschau, die 2023 eröffnen soll. Bis dahin entsteht am nördlichen Ende der ehemaligen Spinelli-Kaserne auch ein neues Wohnquartier mit traditionellen und modernen Wohnangeboten. Valentina Ingmanns ist das Herz der Oikos-Genossenschaft, die ein Wohnprojekt dort realisiert: Ein Gemeinschaftliches Wohnprojekt ist dort im Entstehen.

Einzug in einem Jahr

In ihrem Haus werden einmal 21 kleine und große Wohnung individuellen und persönlichen Platz für die Bewohner bieten. Und darüber hinaus wird es in dem Haus auch viel Gemeinschaftsfläche geben, auf der die Bewohner gemeinsam viel Zeit verbringen werden. „Unser größter Wert ist die Gemeinschaft“, erklärt sie, „das bereichert unser Leben.“

„In genau einem Jahr ziehen wir hier ein“, sagt Ingmanns an diesem Samstagmorgen, mehr als sechs Jahre Planung und Arbeit finden dann ihren Abschluss. Ihre Freude gilt an diesem Morgen nicht dem kalten und ungemütlichen Wetter, sondern vielmehr ihrem Wohnprojekt, das langsam entsteht: Zwischen Baukranen, Baugerüsten, Absperrungen und Baugruben nimmt ihr Haus langsam Gestalt an.

Dem Himmel nah

Der Keller ist schon fertig, so auch das Erdgeschoss: Die Decke muss allerdings noch von vielen Stützen gesichert werden. Die drei weiteren Stockwerke werden erst noch gebaut. Doch zum ersten Mal können die zukünftigen Bewohner in ihr Haus, also in den Keller und ins Erdgeschoss.

Blick ins nichts: Noch sind nur der Keller und das Erdgeschoss fertig gestellt. Darüber hinaus ragt nur das Baugerüst und der Baukran. Foto: Dieter Leder

Und auch das erste Obergeschoss kann schon besichtigt werden, zumindest das, was schon fertig ist. Auf dem Baugerüst können die Besucher sich davon überzeugen, dass sie dort im Moment noch mehr dem grauen Himmel nahe sind als ihrer zukünftigen Wohnung: Denn mehr als der Boden ist vom ersten Geschoss noch nicht zu sehen.

Phantomwohnungen werden eingerichtet

Doch Barbara Negrelli stört das nicht, dass ihre Wohnung noch nicht existiert: „Meine Wohnung gibt es noch nicht, ich wohne einmal direkt unter dem Dach im dritten Obergeschoss.“ Sie ist dennoch so aufgeregt und glücklich wie Valentina Ingmanns, zwischen Schlamm, Pfützen, Stützträgern und Betonteilen sagt sie ganz aufgeregt: „Ach wird das schön.“

Negrelli läuft in dem Rohbau an das südliche Ende und macht gedanklich in ihrer Phantomwohnung ihre Wohnungstüre auf: So wie im Erdgeschoss sind auch im dritten Geschoss die Wohnungen zugeschnitten. „Hier steht ein Schrank“, erklärt sie, zum ersten Mal sieht sie ihre Wohnung nicht als zweidimensionalen Plan sondern als dreidimensionales Objekt, das sie nun gedanklich einrichtet: „Das Sofa passt wirklich nicht, das habe ich mir schon gedacht.“

Sie schaut aus dem Fenster. Ob sie aus dem dritten Geschoss später einmal den Odenwald sehen wird, erfährt sie an diesem Samstag noch nicht. Aber sie entdeckt etwas anderes, dass sie überglücklich macht: Das Haus direkt gegenüber wird aus Holz gebaut: „Das wird voll schön.“

Bau ist im Zeitplan trotz Holzmangel

„Ich bin überwältigt hier zu stehen“, sagt ein anderer zukünftiger Bewohner, auch seine Wohnung gibt es noch nicht. Dass sich alle Planungen jetzt langsam „materialisieren“, bewegt ihn sehr. Seine Rührung wird jäh unterbrochen von Architektin Karin Vogel vom Architekturbüro Planwirkstatt, die die Gemeinschaft zu einem wichtigen Thema zusammenruft: Es geht um die Verspachtelung von Fugen, die noch nicht geklärt ist. „Es ist schön mit dieser Gemeinschaft zusammen zu arbeiten“, so Vogel. Eine Antwort auf ihre Fugen-Frage erhält sie aber nicht: „Das werden die erstmal in der Gemeinschaft beraten und beschließen“, erklärt sie, „die Gruppe braucht Zeit.“

Der Bau ist im Zeitplan, trotz Baustoffmangel und auch trotz Arbeitermangel: Wenn das Wetter mitspielt soll bis Februar der Rohbau fertig sein. Es gibt viel Lob für die Architektin, die derzeit vieles umorganisieren muss. Sie spricht dennoch von einer „spannenden Arbeit.“

Schwerter werden zu Pflugscharen

Spannend und aufregend ist es auch für Familie Brastianou, denn sie können bereits ihre zukünftige Wohnung im Erdgeschoss besichtigen. Noch klaffen tiefe, bis zum Boden reichende Löcher in der Wand, durch die es ungemütlich zieht – die Fenster werden erst nächsten Jahr eingebaut. Doch Denise sieht schon ganz romantisch ihre beiden Kinder Emilia und Samuel an den großen Fenstern im Tageslicht spielen.

„Wir werden einmal da wohnen, wo Mannheim grün wird“, erklärt Denise noch und verweist auf die Bundesgartenschau: In der Parallelstraße wird sich der Haupteingang in den Park befinden, sie werden es nicht weit haben. Für ihren Mann Richard hingegen hat die Besichtigung auch einen emotional-familiären Aspekt: „Wir machen Schwerter zu Pflugscharen“, erzählt er voller Stolz, denn sein Vater war einst als amerikanischer Soldat in Deutschland stationiert – auf ehemaligem amerikanischen Kasernengelände baut sich die Familie nun eine neues Haus.

Kinderzimmer mit Geheimtür

Auch Tochter Emilia inspiziert schon ganz genau ihr neues Zuhause und ihre neue Umgebung. Die übergroße orange-farbene Sicherheitsweste wirkt an ihr wie ein knielanger, eleganter Designmantel, den sie als Haute-Couture auf der Fashion Week präsentieren könnte.

Emilia in ihrer übergroßen orange-farbenen Sicherheitsweste, die an ihr wie ein knielanger, eleganter Designmantel aussieht. Was derzeit noch nach unwirklichem Rohbau aussieht, soll in einem Jahr ihr neues Zuhause werden. Foto: Dieter Leder

Trotz unwirklichem Rohbau weiß sie jetzt schon, wo sich ihr Kinderzimmer einmal befinden wird. Und während sich die Eltern mit der Küchenplanung beschäftigen, verrät Emilia ein großes Geheimnis: „In meinem Zimmer gibt es eine Geheimtür“, das habe sie gerade mit ihren Eltern abgesprochen. Architektin Vogel wird das Erdgeschoss wohl nochmal umplanen und eine wichtige Tür einbauen müssen.

1 Kommentar

  1. hallo, das hört sich super an und sieht sympathisch aus. ein tolles projekt – ich wünsche euch und eurem projekt erfolg. liebe grüsse an elke!!! jutta aus dem schnöseligen münchen 😍

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