Click & Collect in Mannheim – Statt Haushaltskerzen gibt es den Bahnhof von Moosbach

Hinweise für Kunden in Zeiten des Lockdowns: Der Aufenthalt im Markt soll auf das Mindeste reduziert werden. Foto: Dieter Leder

„Halten Sie sich nicht unnötig lange im Markt auf“, heißt es am Eingang der Müller-Dorgerie auf den Planken in Mannheim. So etwas der Kundschaft empfehlen zu müssen steht im deutlichen Widerspruch zum eigentlichen Geschäftszweck der Einzelhändler, den Kunden so lange wie möglich in seinem Laden zu haben. Aber es zeigt auch, dass die Gesundheit ihrer Kunden bei den Einzelhändlern höher gewichtet als die eigenen Umsatzziele.

Der Aufenthalt im Laden ließe sich auch mit Click & Collect reduzieren: Damit wird die Möglichkeit beschrieben, im Internet die Waren zu bestellen (Click) und dann persönlich im Laden abzuholen (Collect). Im Jahre 2017 waren nur 13% der Einkäufer Click & Collect bekannt, in der Pandemie ist die Bekanntheit auf 74% gestiegen, wie der neueste Online-Monitor 2021 des Handelsverbandes Deutschland aufzeigt. Eine wichtige Rolle im Onlinekontext haben im vergangenen Jahr Click & Collect-Angebote eingenommen: 6,4 Prozent der Onlineumsätze bei einem Umsatz von 4,6 Milliarden Euro wurden abgeholt.

In Zeiten des Lockdowns ist Click & Collect bisweilen die einzige Möglichkeit, um bei geschlossenen Läden überhaupt an bestimmte Waren zu kommen. Und in geöffneten Läden ist das Einkaufen per Click & Collect auch sicherer: Denn statt den zeitintensiven Einkaufszettel im Laden abzuarbeiten, sich an allen anderen Kunden vorbei zu drängeln, sich durch alle Stockwerke und durch alle Abteilungen zu den gesuchten Produkten vorzuarbeiten und dann noch in der Schlange an der Kasse anzustehen, wird alles im Internet vorbestellt und steht zur Abholung in der Filiale bereit: Reingehen, abholen, zahlen, rausgehen.

Doch Click & Collect ist oftmals gar nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Auch im Jahr zwei der Pandemie gibt es noch viele Hürden und Barrieren zu überwinden, wie eine Auswahl an Erfahrungsberichten im Mannheimer Einzelhandel dokumentiert:

Müller-Drogerie auf den Planken (Mannheim)

Schon die Suchmaschine auf der Webseite der Müller-Drogerie treibt einen zum Wahnsinn: Haushaltskerzen stehen neben anderen Drogerieartikeln auf dem Einkaufszettel. Die gibt es in der Müller-Filiale auf den Planken im ersten Stock gleich rechts von der Rolltreppe hinten in der Ecke in vielen Farben, Formen und Duftnoten. Doch die Antwort der Suchmaschine auf der Drogerie Müller-Webseite lautet: „Ihre Suche nach Haushaltskerze ergab leider keine Treffer.“ Zum Vergleich: Nur für weiße Haushaltskerzen findet der Kunde auf Amazon mehr als 200 verschiedene Produkte.

Einfachste Haushaltsgegenstände lassen sich auf der Webseite bei Müller nicht finden. Foto: Screenshot mueller.de

Auch bei der detaillierteren Eingabe von „Vollmar“, dies ist der Produkt- und Herstellernamen der gesuchten Kerzen, findet die Suchmaschine auf mueller.de keine Haushaltserzen, aber immerhin Windlichter und insbesondere auch das Stellwerk des Bahnhofs von Moosbach, einen LIDL-Supermarkt und auch ein McDonalds Drive-In: Alle Gebäude sind im HO-Format für die Modelleisenbahn bestimmt. Aber Haushaltskerzen online im Click & Collect-Verfahren zu kaufen ist bei Müller nicht möglich. Auch bei der Suche nach lieferbaren Produkten ist die Suchmaschine insgesamt eine Katastrophe, die viel Werbung und unbrauchbare Ergebnisse liefert: Nur oftmals nicht das, was in die Suche eingegeben wird.

Statt Produkte des Kerzenherstellers “Vollmar” (mit A geschrieben) findet die Suchmaschine Zubehör für die Modelleisenbahn des Herstellers “Vollmer” (mit E gechrieben). Foto: Screenshot mueller.de

Probleme gibt es auch mit der Abholung in der Filiale: Obwohl die benötigten und bestellten Produkte in der ausgewählten Filiale vorrätig sind, muss der Kunde vier Tage Wartezeit einplanen, da die Produkte nicht in der lokalen Filiale vorgerichtet werden, sondern im Zentrallager in Ulm, wie eine Mitarbeiterin erklärt. Doch vier Tage Wartezeit sind lang und können bei bestimmten Produkten bereits zu lange sein, beispielsweise bei Klopapier.

„Melden Sie sich bitte bei einem unserer Mitarbeiter in der Filiale, wenn Sie die bestellte Ware in Ihrer angegebenen Filiale abholen möchten. Dieser wird Ihnen Ihre Lieferung aushändigen.“ So wird das vermeintlich einfache Prozedere der Abholung auf der Müller-Webseite erklärt: Doch Click & Collect ist in der Planken-Filiale in Mannheim noch ein Fremdwort und offenbar Neuland, denn eine angesprochene Mitarbeiterin war sich zunächst gar nicht sicher, wo in ihrem Markt die online bestellten Waren abgeholt werden können. Erst mit der Hilfe einer zweiten Mitarbeiterin führte der Weg schließlich zu einer Kasse im Untergeschoss. Dort war die Abholung jedoch vorerst mal nicht möglich, denn die Kasse war zu dem Zeitpunkt gar nicht besetzt, es musste erst die zuständige Mitarbeiterin gesucht werden.

Online Apotheke Apo-Rot (Mannheim)

Auch Apothekenbesuche ließen sich in Corona-Zeiten mit Click & Collect reduzieren, so die Überlegung: Statt ein rezeptpflichtiges und grundsätzlich nicht vorrätiges Medikament zuerst zu bestellen und dann mit einem zweiten Besuch abzuholen, könnte es ja schon online bestellt werden, so dass statt zwei nur ein Präsenzbesuch in der Apotheke notwendig wäre. Und dabei könnte der Kunde online auch gleich alle anderen frei verkäuflichen Produkte mitbestellen, so dass die zeitaufwendigen Diskussionen im Laden über Packungsgröße, Dosierung und Geschmack des Präparates sowie die dann folgende Suche in unendlich vielen und noch viel längeren Schubladen entfallen würde.

Doch Click & Collect ist auch bei Apotheken noch nicht wirklich angekommen, wie ein Test bei der Online-Apotheke Apo-Rot in Q5 in der Innenstadt zeigt. Die Vorbestellung auf der Webseite wird einmal mehr zum nervenzehrenden Problem, denn rezeptpflichtige Produkte sind trotz eindeutiger Pharmazentralnummer (das ist ein einheitlicher Identifikationsschlüssel für Arzneimittel) sowie dem Produktnamen auf dem Rezept des Arztes nicht in der online-Suchmaschine der Apotheke auffindbar und somit erst gar nicht bestellbar. Zwar liefert die online-Suche bei den frei verkäuflichen Produkten immerhin keine Bahnhöfe oder Stellwerke für die Modelleisenbahn, aber dennoch auch viele andere skurrile Ergebnisse: Benutzerfreundlich erkennt die Suchmaschine schon nach wenigen Buchstaben das gesuchte Nasenspray „Rhino Spray Plus“, doch warum die ersten dutzend Suchergebnisse Frontline Sprays gegen Zecken und Flöhe bei Hund und Katze sind, ist und bleibt bei einer Anfrage aus einem tierfreien Haushalt ein Wunder der Technik. Dennoch, nach vielen Tierprodukten erscheint dann auch irgendwann das gesuchte Produkt in all seinen verfügbaren Größen, Dosierungen und Geschmacksrichtungen zur leichten Auswahl.

Statt einem bekannten Nasenspray für den Menschen findet die Suchmaschine Mittel gegen Zecken und Flöhe bei Tieren. Foto: Screenshot www.apo-rot.de

„Das Problem ist uns bekannt“, erklärt eine Apothekerin die fehlende Möglichkeit der Online-Bestellung von rezeptpflichtigen Medikamenten und begründet dies mit derzeitig noch laufenden Veränderungen mit der Betreibergesellschaft, die Online-Bestellung wird in naher Zukunft neu organisiert werden. Sie empfiehlt statt der Bestellung auf der Webseite die Bestellung per hauseigener App, die sei sicher und bequem und „man kann Rezepte gleich abfotografieren und so einfach vorab übermitteln.“

Die Bestellung über die App ist tatsächlich benutzerfreundlich und dank App-eigener Fotofunktion ist das Rezept auch schnell übermittelt, wie ein zweiter Versuch gezeigt hat. Aber was der App fehlt, ist die detaillierte Auflistung der rezeptfreien Produkte: Die soll der Kunde weiterhin noch auf der Webseite bestellen. Immerhin, schon nach wenigen Stunden kommt eine Email mit dem Hinweis, dass alle bestellten Produkte abholbereit in der Apotheke liegen. Die Abholung verläuft dann ganz schnell und einfach, so wie es in Coronazeiten sein soll.

Bauhaus, Mannheim Innenstadt

Baumärkte sind nur für Gewerbetreibende geöffnet, Privatkunden konnten nur über Click & Collect einkaufen. Das ist nicht jedem Kunden bekannt: Wer keinen Gewerbeschein vorweisen kann muss online bestellen. Eine Verkäuferin im Bauhaus Mannheim weigerte sich, einen Dichtungsring für 1,59 Euro ohne Gewerbeschein und ohne Bestellnummer aus einer Onlinebestellung auch im Notfall zu verkaufen. Da kann das Waschbecken tropfen wie es will.

Etwas kulanter sind da die einkaufenden Handwerker: „Klar doch, den bringe ich ihnen mit“, sagt ein vor dem Baumarkt spontan angesprochener Elektriker auf die Frage, ob er zusätzlich zu seinen geplanten gewerblichen Einkäufen noch ein Dichtungsring mitkaufen könnte.

Click & Collect im Baumarkt kann schwierig für denjenigen werden, der die technischen Begriffe des gewünschten Produktes nicht kennt. Ein Handbagger beispielsweise fährt nicht und hat auch keine Räder und kostet dafür auch nur 65 Euro. Ob einem gewöhnlichen Kunden allerdings der Name des praktischen Gartenhelfers bekannt ist, ist fraglich. Aber die Suchmaschine bei Bauhaus ist gut und findet das Produkt auch unter dem Suchbegriff „Spaten“. Auch wer altertümlich eine Glühbirne online sucht, wird noch fündig, obwohl schon lange keine Birne mehr glüht und heute ganz modern Leuchtmittel heißt.

Doch eine gute Suchmaschine war schon der einzig positive Aspekt des Click & Collect Testkaufs bei Bauhaus. Bei entsprechend guter Bonität können Online zur Abholung bestellte Waren auf Rechnung gekauft werden, ansonsten müssen bei Bauhaus über Click & Collect bestellte Waren sofort auch online bezahlt werden, was insbesondere ältere Kunden vor Probleme stellen könnte, wenn sie nicht mit eTANs oder Paypal vertraut sind.

Die dreiseitige Rechnung bei Bauhaus kommt per Email und nochmals per Post, auch wenn die bestellte Ware letztlich nicht verfügbar war. Foto: Dieter Leder

Rechnung und Abholbenachrichtigung kommen bei Bauhaus per Email und erstaunlicherweise auch noch in Papierform per Post. Vor Ort bei der Abholung hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert und die Schwarmintelligenz der halben Mitarbeiterschaft erfordert, bis die bestellte Ware überhaupt gefunden war. Doch wer für Dritte bestellt, der muss zur Abholung eine schriftliche und unterschriebene Vollmacht des Dritten mitbringen: Da reicht der Ausweis oder die EC-Karte des Dritten alleine als Nachweis nicht aus. Die Verkäufer beim Bauhaus Mannheim haben die Herausgabe einer für Dritte getätigte Bestellung unter 10 Euro Warenwert ohne Vollmacht verweigert, trotz Vorlage von EC-Karte und Ausweis des Dritten.

Deswegen war ein zweiter Besuch des Baumarktes nötig, diesmal mit schriftlicher Vollmacht – eine gerade in Coronazeiten nicht unbedingt notwendige Maßnahme. Doch auch damit klappte die Herausgabe der Ware nicht, da die Vollmacht nicht auf dem hauseigenen Formblatt erteilt wurde. Und selbst mit dem nun richtigen Formblatt war die bestellte Ware innerhalb der zugesagten Abholfrist nicht zu bekommen: „Wir haben die Ware schon zurück geschickt, da sie ja beim ersten Mal keine Vollmacht dabei hatten“, hieß es dazu von der Verkäuferin.

Baumarkt Hornbach (Heidelberg)

Auch bei Hornbach gelten dieselben Beschränkungen. Auch da läuft auf der Webseite eine gute Suchmaschine. Zudem stellt Hornbach eine gute App zur Verfügung, über die per Click & Collect bestellt werden kann: Anders als bei Bauhaus kann die Bezahlung vor Ort bei der Abholung erfolgen. Für die Abholung im Markt müssen Zeitfenster genutzt werde, die schon beim Bestellvorgang ausgewählt werden. Damit kann die vorbestellte Ware zur Abholung gezielt vorbereitet und gerichtet werden und zudem soll coronabedingt vermieden werden, dass alle Kunden gleichzeitig ihre Waren abholen und in Schlangen warten müssen.

Dass Kunden später als auf dem gebuchten Zeitfenster zur Abholung kommen, kommt hin und wieder mal vor, wie die Mitarbeiter aus ihrer Erfahrung berichten: “Aber da sind wir flexibel”, so die Auskunft der Mitabrbeiter. Aber wie reagieren die Mitarbeiter, wenn der Kunde einige Stunden früher kommt und die Ware noch gar nicht zur Abholung vorbereitet ist? Und wenn der Kunde dann auch noch etwas zusätzliches haben möchte, was er gar nicht vorher bestellt hat, etwa weil das Waschbecken plötzlich undicht ist?

Ein Click & Collect Testkauf unter erschwerten Bedingungen – aber das Hornbach-Team in Heidelberg hat bewiesen, dass auch in Corona-Zeiten Service am Kunden möglich ist. Mit Verweis auf das gebuchte Zeitfenster und die noch nicht gerichtete Ware hätten die Mitarbeiter den Kunden wieder nach Hause schicken können, damit er im Zeitfenster seiner Buchung wieder kommen soll. Doch es war gerade nicht viel zu tun und so haben die Mitarbeiter die bestellten Waren spontan und schnell aus dem Markt zusammen gesucht und gerichtet. Und auch die zusätzlich gewünschten und nicht vorbestellten Waren hat das Team noch schnell und unbürokratisch mitverkauft.

Fazit: Viel Verbesserungsbedarf

Click & Collect hätte sich in der Pandemie als eine halbwegs sicheren Alternative des Einkaufs positiv weiterentwickeln können. Es war aber nicht nur die mangelnde Bereitschaft zur Änderung der Einkaufsgewohnheiten bei den Kunden, dass Click & Collect nicht richtig akzeptiert wurde. Auch viele Einzelhändler haben mit technischen und bürokratischen Hürden und Barrieren nicht unbedingt für Kundenfreundlichkeit bei dem neuartigen Einkaufserlebnis gesorgt. Ob Click & Collect insgesamt eine Zukunft hat, wird sich zeigen: Gemäß dem Online-Monitor 2021 des Handelsverbandes Deutschland können sich 42% der Kunden nicht vorstellen, nach dem Lockdown noch weiter per Click & Collect einzukaufen.

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