Wahlergebnis Mannheim: Die CDU mit dem Enkeltrick und ein Pulverfass, für das sich die Politiker nicht interessieren. [Ein Kommentar]

Das offizielle Endergebnis der Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 für die beiden Mannheimer Wahlbezirke: Klar gewinnt die Grüne Partei vor der SPD, der CDU und der AfD. Doch das Bild täuscht. Screenshot: Votemanage.de


Dass die Sektkorken bei der AfD nicht geknallt haben ist die eine gute Nachricht des gestrigen Wahlabends: Die AfD hat nicht nur ihre beiden Direktmandate bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg verloren, sondern sie sind landesweit unter 10% abgerutscht und nur noch fünftstärkste Partei im Lande. Die AfD hat dabei weder aus eigener Kraft ihr Ergebnis von 2016 halten können noch hat sie von den jüngsten CDU-Skandalen um Provisionen im Maskengeschäft profitieren können.

Der zweite Verlierer ist die CDU, wobei der 250.000 Euro Maskenskandal des Nikolas Löbel möglicherweise gar nicht so ausschlaggebend gewesen sein dürfte: 30% der Wahlberechtigten in Mannheim haben ihre Stimme per Brief abgegeben, am Sonntagabend nach Auszählung der Stimmen entfielen 53% der in Mannheim abgegebenen Stimmen auf Briefwähler. Kurz nach dem Bekanntwerden des Maskenskandals mit dem Rücktritt des Mannheimer CDU-Stadtrates und Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel vor mehr als einer Woche waren beim Wahlamt schon etwa 75% der damals beantragten und ausgefüllten Briefwahlscheine wieder eingegangen – die meisten Briefwähler hatten demnach ihr Kreuz schon gemacht und den Wahlumschlag bereits abgeschickt, als sie von den skandalösen Ereignissen und Rücktritten bei der CDU erfahren haben.

Was Löbel alleine nicht geschafft hat, das kann die CDU auch ohne seine Hilfe: Sich selbst demontieren. Dass die Wähler dem CDU-Direktkandidaten im Mannheimer Süden Alfried Wieczorek die Chance verwehrt haben, ein zweiter Löbel zu werden, ist ihnen hoch anzurechnen. Dass er mehr als zehn Prozentpunkte hinter seinen persönlichen Erwartungen zurück blieb und nicht in den Landtag einzieht, wie er am Wahlabend dem SWR gegenüber beichtete, ist vielmehr seine persönliche Schuld. Mit Old School-Wahlkampf und entsprechender Politik ist es in Mannheim vorbei: Sich hinter der Adresse des CDU-Kreisverbandes zu verstecken, auf kaum eine Anfrage zu reagieren, im Vorfeld der Wahl durch übermäßige und widerrechtlich aufgehängte Wahlplakate schon negativ aufzufallen und am Vortag der Wahl die Mannheimer Haushalte mit vermeintlich „Wichtigen Unterlagen zur Landtagswahl“ vom Landesverband der CDU zuzumüllen, die sich beim Öffnen als weitere leere CDU-Worthülsen herausstellen und mehr an einen Enkeltrick gegen senile Alte erinnern – all das begeistert heute kaum noch jemanden. Doch so ganz abgeschrieben ist Wieczorek deswegen noch nicht, als kleiner Löbel-Nachfolger wird er in einem Monat in den Mannheimer Gemeinderat einziehen.

Eine von vielen nicht beantworteten Anfragen an die Kandidaten der Mannheimer CDU, hier die der Klimaktivisten Fridays For Future. Screenshot: Fridays For Future Mannheim auf Twitter


Am Ende der Wahlnacht hat Mannheim doch noch vier Gewinner zu vermelden: Mit je zwei Grünen- und SPD-Abgeordneten ist Mannheim im zukünftigen Landtag in Baden-Württemberg mit vier Vertretern präsent. Beim Endergebnis aber sorgt eine Zahl letztlich doch noch für heftige Kopfschmerzen: Die Wahlbeteiligung in Mannheim lag bei nur 56,91%. Die Zahl ist ein Mittelwert aus allen Mannheimer Wahllokalen. Das Schlusslicht dabei bildet der Wahlbezirk Schönau-Nord mit dem Wahllokal im Johanna-Geissmar-Gymnasium. Von den dortigen 2.305 Wahlberechtigten haben nur 381 Wähler ihre Stimme abgegeben, was einer rekordverdächtig niedrigen Wahlbeteiligung von nur 16,53% entspricht. Dazu kommt noch, dass im Stadtteil Schönau bei etwa 13.000 Einwohnern nur 7.196 Bewohner wahlberechtigt sind, fast jeder zweite Bewohner hat auf Grund seiner Staatsangehörigkeit dort politisch keine Stimme. Und von der anderen Hälfte der Bewohner, die eine Stimme hätten, gehen 83% nicht wählen.

Die AfD liegt klar in Führung in Mannheims Stadtteil Schönau. Offizielles Wahlergebnis für den Stadtteil Mannheim-Schönau, bei dem die Grünen nur auf Platz 3 kommen und die AfD mehr als doppelt so viel Stimmen wie die Grünen erhielt. Screenshot: Votemanage.de

Das ist als solches schon erschreckend, dass Politik dort niemanden erreicht und interessiert. Doch der Wahlbezirk wartet noch mit einem zweiten Negativrekord auf: Die paar wenigen Wähler dort bescherten der AfD mit 34,69% das beste Einzelergebnis in ganz Mannheim. Die Schönau ist dabei kein Einzelfall: In vielen nördlich des Neckars gelegenen Mannheimer Wahlbezirken mit extrem niedriger Wahlbeteiligung erreichte die AfD überdurchschnittlich viele Prozentpunkte.

Auf die selbstzerstörerischen Kräfte der AfD und der CDU zu hoffen und an den weiteren Durchmarsch der Grünen zu glauben, reicht zukünftig in Mannheim nicht mehr aus. In Mannheims Norden tickt ein Pulverfass, und das nicht erst seit dieser Wahl. Mannheim ist nur knapp an der Katastrophe vorbei geschrammt, nur weil die Rechten das Potential diesmal nicht ausschöpfen konnten und nicht wie vor vier Jahren mit einem Direktmandat nach Stuttgart gingen. Nach vier Jahren hätte ein deutlicheres Ergebnis Mannheim besser zu Gesicht gestanden und dafür sind die Mannheimer Politiker selber verantwortlich.

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