ADFC Radklimatest – Mannheim wie erwartet nur ausreichend

Radfahrer absteigen heißt es auf der Theodor-Heuss-Anlage: Damit Baufahrzeuge ungehindert aus der Baustelle im Luisenpark ausfahren können, ist der Radweg von und nach Neuostheim unterbrochen. Die Sperre gilt nur für Radfahrer, die Baufahrzeuge müssen weiterhin Fußgängern und den Kraftfahrzeugen auf der Theodor-Heuss-Anlage Vorfahrt und Vorrang gewähren. Foto: Dieter Leder

Dass schlechte Abschneiden Mannheims beim jetzt veröffentlichtem Fahrradklimatest 2020 war eigentlich schon seit einem Monat erwartet worden: Bereits am 23. Februar 2021 veröffentlichte das Polizeipräsidium Mannheim ihre polizeiliche Kriminal- und Unfallstatistik mit einer positiven Verkehrsunfallbilanz für 2020, wie sie schrieb: „Die Unfallzahlen sind in fast allen Bereichen teils sehr deutlich zurückgegangen“, demnach wurden im Vorjahr 17,4% weniger Unfälle registriert. Doch diese positive Entwicklung spiegelt sich nicht im Radverkehr wider: Nach dem Höchststand von 2019 ging die Gesamtzahl der Radfahrerunfälle im vergangenen Jahr gemäß der Polizeistatistik entgegen dem Trend lediglich um 5,1% zurück.

Fast doppelt so viele Teilnehmer

Dass der Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) keine positive Überraschung für Mannheim sein würde, war bei den Zahlen der Polizeistatistik zu erwarten gewesen: Eine 3,9 erhielt Mannheim vom ADFC, als Schulnote ist das ein ausreichend. 230.000 Bürger haben sich bundesweit 2020 an der Umfrage des ADFC beteiligt, das sind rund 60.000 mehr als noch 2018. Sie haben 1.024 Städte und Gemeinden bewertet, 2018 waren es noch 683. Doch die Bewertungen sind ernüchternd, wie der ADFC weiter bekannt gab: „Die Fahrradfreundlichkeit liegt 2020, wie auch schon 2018, bei 3,9. Damit hat sich das Radklima in Deutschland nicht verändert und ist weiter nur ausreichend.“

Mannheim liegt damit punktgenau im Bundestrend und belegt im Bundesvergleich mit ähnlichen Städten den sechsten von 26 Plätzen, im Landesvergleich den letzten von den drei Plätzen. 1.112 Bürger haben 27 Fragen zu Erfahrungen im Radverkehr in Mannheim beantwortet, das sind fast doppelt so viel wie noch beim letzten Fahrradklimatest vor zwei Jahren.

Gute und schlechte Bewertungen

Neben dem Winterdienst auf Radwegen und öffentliche Fahrräder wurde auch die Mitnahme von Fahrrädern im öffentlichen Nahverkehr als die drei Stärken des Radverkehrs in Mannheim bewertet. Das klingt schon fast sarkastisch, wenn die Stärke des Mannheimer Radverkehrs darin liegen soll, nicht selber Rad zu fahren sondern sich mit seinem Rad per Bahn durch Mannheim chauffieren zu lassen. Damit wäre der Radfahrer zumindest von der Straße und vom Radweg runter, denn dort kommt er nicht weiter, wie ein Blick auf die drei schwächsten Ergebnisse in der Umfrage für Mannheim zeigt: Die Führung an Baustellen, Ampelschaltungen für Radfahrer sowie das große Thema Falschparkerkontrolle auf Radwegen werden als mangelhaft bewertet.

Die drei Punkte zwingen den Radfahrer nicht nur zum Anhalten oder Absteigen, sie sind alle auch bewusst so gewollt: Die Stadt weigert sich kontinuierlich, Falschparker auf Radwegen (und auch auf Gehwegen) konsequent zu ahnden, das Fehlverhalten der Stadt ist seit Jahrzehnten schon Thema und war bereits Gegenstand vieler politischer Diskussionen und Anträge im Gemeinderat. Die Ampelschaltungen mit der Grünen Welle sind vorrangig für den Auto- und Straßenverkehr optimiert, Radfahrer und Fußgänger haben sich unterzuordnen. Und für die schlechte Führung der Radfahrer an Baustellen gibt es sogar ein eigenes Verkehrszeichen: Radfahrer absteigen.

An Autofahrer wird gedacht, Radfahrer werden ignoriert

Der Aufschrei wäre sicherlich groß, wenn nicht Radfahrer, sondern Autofahrer an Baustellen anhalten und schieben müssten. Eine solche Idee mag abstrus klingen, doch gibt sie genau das vorrangige Denken an den Kraftfahrzeugverkehr in Mannheims Politik und Verwaltung wieder: Um Verkehrsbeeinträchtigungen zu vermeiden wurde beispielsweise bei der im Dezember im Gemeinderat verabschiedeten neuen Plakatierungsrichtlinie festgelegt, dass Plakate nicht auf Fahrbahnen aufgestellt werden dürfen und ein Abstand von 50 Zentimetern zum Fahrbahnrand einzuhalten ist (Teil B, Ziffer 6.2).

Aus der Plakatierungsrichtlinie: Verkehrsbeeinträchtigungen durch Plakate sind nur für den motorisierten Verkehr auf der Fahrbahn zu erwarten, nicht aber für Radfahrer auf Radwegen. Screenshot aus der Plakatierungsrichtlinie der Stadt Mannheim

Radwege gehören aber nun mal nicht zur Fahrbahn und der Abstand von 50 Zentimetern bezieht sich demnach auch nicht auf Radwege, wie die Stadt auf Anfrage bestätigt: Das Aufstellen von Plakaten auf Radwegen und in unmittelbarer Nähe zu Radwegen wäre also zulässig und stellt im Vergleich zum Aufstellen auf der Fahrbahn des motorisierten Verkehrs gemäß städtischer Vorgabe auch keine Verkehrsbeeinträchtigungen dar. Bei der jüngsten Landtagswahl standen einige Plakate auf oder gefährlich nahe an Radwegen.

Was für den motorisierten Verkehr auf der Fahrbahn eine Verkehrsbeeinträchtigung darstellt und damit gemäß Plakatierungsrichtlinie unzulässig ist, soll für den Radfahrer auf dem Radweg kein Hindernis sein: Obwol das Plakat für mehr Radverkehr wirbt, ragt es in der Seckenheimer Straße in der Schwetzingerstadt in den Radweg hinein. Foto: Dieter Leder

An die Sicherheit und Belange der Autofahrer wurde also vollumfänglich bei der Ausformulierung der Richtlinie und der politischen Diskussion gedacht, die Sicherheit und Belange der Radfahrer jedoch hat niemand in dem mehrheitlich von den Grünen besetzten Gemeinderat vertreten: Das Wort Radweg oder Radfahrer taucht in der neuen Richtlinie überhaupt nicht auf.

Es kann sich nichts ändern

Das Beispiel zeigt, wo die Ursachen für die schlechte Unfallstatistik und die nur ausreichenden bis mangelhaften Benotungen für den Radverkehr in Mannheim zu suchen sind. Seit Jahren schon wird der Radverkehr in Mannheim in den Umfragen des ADFC kontinuierlich mit einer 3,9 als ausreichend bewertet. “Die Leistung weist zwar Mängel auf”, so die Definition von ausreichend, “aber im Ganzen entspricht sie noch den Anforderungen.” Solange die Verantwortlichen glauben, dass es den Anforderungen genügt, den Radfahrer bewusst zu behindern, so lange wird sich in Mannheim auch nichts ändern. Was nächsten Jahr in der Unfallstatistik und was in zwei Jahren im nächsten Fahrradklimatest steht, ist damit heute schon absehbar.

3 Kommentare

  1. Die Bildbeispiele zeigen gut die Doppelmoral und das Messen mit zweilerlei Maß, wenn es um Auto oder Fahrrad geht. Wieso bei der Plakatierungsrichtlinie die Radwege vergessen wurden (ups!), kann vermutlich die zuständige Stelle selbst nicht erklären. „aber da kommt man doch noch durch“

    An der Haltestelle Weberstraße (2. Bildbeispiel) ist anzumerken, dass hier zufälligerweise mal kein Auto im Haltestellenbereich geparkt steht.

    Abgeschleppt wird auch dann nicht, denn da wert sich Stadt Mannheim, als auch die Polizei mit Händen und Füssen (wenn der Bereich nicht sogar als „toleriertes Falschparken“ hinterlegt ist). Das Argument:
    – Anwendung des mildesten Mittels

    Nur dass dieses Argument gar nicht gültig ist und der Erlass des Verkehrsministeriums BW im Gegenteil explizit vom Regelfall des Abschleppens spricht und die Ordnungsbehörden und Polizeistellen dazu aufruft, den rechtlichen Rahmen und auch die Bußgeldhöhe in vollem Umfang auszuschöpfen, scheint bei den Entscheidern in Mannheim noch nicht ganz angekommen zu sein.

    Mannheim und Christian Specht scheinen vor allem nach dem Motto zu agieren: „Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.“

    Bleibt zu hoffen, dass die CDU weiter Wählerstimmen verliert und ihr allgegenwärtiger negativer Einfluss endlich nachläßt.

    1. Danke für den Artikel. Der Umgang mit der Richtlinie von Winfried Hermann in Mannheim ist erbärmlich. Warum aus Stuttgart zur Untätigkeit hier noch kein Statement vorliegt ist unverständlich.

  2. Das Foto mit dem Plakat habe ich auch. leider kann ich da nicht lang fahren, weil da drei(sic) LKW drauf parken. Nicht zum Be- oder Entladen sondern zum Döner essen und Kaffee trinken.

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